Fragmente – Bilder von Magdalena Żyszkowska


Begehren schürende, vom Ideal der Zeit geprägte Modephotographie ist die Motivquelle von Magdalena Żyszkowska.
Den Karton mit den zurecht gefalteten Photos aus Hochglanzmagazinen betrachtet und hütet sie wie das liebste Märchenbuch ihrer Kindheit. Die Faltungen ergeben jene Ausschnitte, die höchste Dramatik in Lichtführung und Oberflächenqualität verheißen. Die Malerin fühlt sich angezogen von einem sinnlichen Detail und der Hell-Dunkel-Stuktur eines Ausschnittes der abgebildeten Photographie und die darin liegenden Spannungen sind kühner Vorwand für dessen malerische Aneignung.
Die Fragmentierung des menschlichen Körpers in der bildenden Kunst bezeichnet die New Yorker Kunsthistorikerin Linda Nochlin als Metapher für die Moderne, die sich mit Erfindung der Photographie zum ersten Mal in Konkurrenz zu einer objektiven Naturwiedergabemöglichkeit sah. In der postmodernen Kunstproduktion kann die Fragmentierung zum Ausdruck des Körpergefühls überhaupt werden.

Für Magdalena Diercks ist das Motiv Körperfragment – formvollendet bekleidete Rümpfe, Beine, Hände, Arme – aus der Wirklichkeit herausgelöst. Es wird wie ein Dekorationsgegenstand behandelt. Das Fragment eines Körpers hat für die Künstlerin dieselbe malerische Attraktivität wie das Detail eines Möbelstücks – häufige Motive in früheren Bildern. Beides ersetzt für sie die malerischen Qualitäten einer Landschaft.
Die „Schleifen I und II“ beruhen auf der photographierten Schöpfung eines Meisters der Haute Couture. Als Ausschnitt werden sie außerdem zu einem dynamischen Element in leuchtender Farbigkeit, das eine sanfte Dünenlandschaft in Braun- und Beigetönen durchschneidet. Akzente, Klärung und Spannung vermittelt zusätzlich die Licht- und Schattenführung.
Stöckelschuhe an schlanken Frauenbeinen faszinieren durch Farbe, in „Approximately Unreal“ den Rot/Weiß Akkord, und ihre aufwendige Form. Niemals bekommen sie den Beigeschmack von Fetischobjekten, sondern im Gegenteil: sie lösen sich in Kugeln auf – so verschwinden Werbebotschaften genauso wie jede Objekthaftigkeit des weiblichen Körpers.

Mit der Grundierung wird der Ton eines Gemäldes angeschlagen. Derzeit sind es erdige Hauttöne. Noch ehe die in Farben übertragene Hell-Dunkel-Struktur des Photo-Ausschnittes als close-up die Bildfläche zu einem Bildraum werden lässt, stimmen florale Ornamente – aufgetragen mittels Schablonen – den Hintergrund poetisch ein.
Die Farben der Magdalena Zyszkowska (be)-ruhen in und auf Pastelltönen, selbst die tiefsten Schatten leuchten dunkelblau durch ihren hellen Untergrund.

Ihre Räume sind nach allen Richtungen hin offen. Die fragmentierten Motive schweben aber nicht, sondern sind bildparallel verankert und werden einmal eher malerisch dann wieder plastisch aufgefasst, immer aber sind sie wirklichkeitsfremd - von der Magie des Raumes verzaubert.

Mit den ureigensten Mitteln der Malerei überführt Magdalena Zyszkowska ihr Ausgangsmotiv in eine Scheinwelt, die wie das Märchenbuch der Kindheit den Menschen Liebe zur Poesie und Phantasie vorgibt und gleichzeitig abverlangt.

Dr. Bettina Hagen,
Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste in Wien, 2004